Sudetendeutsche Landsmannschaft
Landesgruppe Baden-Württemberg e.V.
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Drei Fragen an Steffen Hörtler

 

Die Nachrichten der Sudetendeutschen in Baden-Württemberg haben drei Fragen an Steffen Hörtler, Stiftungsdirektor der Bildungsstätte "Der Heiligenhof" zur aktuellen Situation und zum Kriegsende vor 75 Jahren gestellt.

 

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Aus den deutschen Ostgebieten waren Millionen Menschen bereits auf der Flucht in Richtung Westen. Hinzu kamen die „wilden Vertreibungen“, die abgelöst wurden von Ausweisungen die, wie es im Potsdamer Protokoll heißt „daß jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll.“

 

Flucht und Vertreibung prägten das Leben 15 Millionen deutscher Heimatvertriebener und deren Nachfahren. Kollektiv wurde man als Deutscher diskriminiert, entschädigungslos wurde Eigentum konfisziert, viele wurden zur Zwangsarbeit geschickt, Menschenrechte wurden missachtet. Die Erlebnisgeneration leidet bis heute.

 

Schon früh haben die Sudetendeutsche Jugend und die Deutsche Jugend in Europa ihre Fühler in die Heimat der Vorfahren ausgestreckt. Die Bekenntnisgeneration hat ihren Weg im Umgang mit den Menschen in den Herkunftsgebieten gefunden – nicht immer trifft das den Nerv derer, die selbst erleben mussten, wie es ist aus der Heimat vertrieben zu werden.

 

Seit Mitte März sind auf Grund der Corona-Pandemie sämtliche Veranstaltungen untersagt. Der Sudetendeutsche Tag wurde abgesagt und verschoben, unzählige Kulturveranstaltungen fanden nicht statt. Was bedeutet das alles für die ehrenamtliche Arbeit der Sudetendeutschen, für die deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler?

 

Hierzu hat die Redaktion der Nachrichten der Sudetendeutschen in Baden-Württemberg drei Fragen gestellt an:

 

Steffen Hörtler, Stiftungsdirektor der Bildungsstätte "Der Heiligenhof"

 

Herr Hörtler, im März fiel die Entscheidung zum Lockdown. Seither dürfen am Heiligenhof keine Veranstaltungen mehr stattfinden. Wie haben Sie diese zurückliegenden Wochen erlebt, vor allem was bedeutet das für die Bildungsstätte Heiligenhof, eine Institution weit über die sudetendeutsche Volksgruppe hinaus?

Zunächst einmal haben ab Ende Februar einzelne Personen, dann ab der zweiten Märzwoche alle Gästegruppen storniert. Auch eigene, internationale, Bildungsveranstaltungen, deren Programm und Finanzierung fertig waren und wo ordentliche Anmeldezahlen vorlagen, mussten abgesagt werden, da es europaweit die bekannten Gesundheitsgefahren und daraus resultierende Veranstaltungsverbote und Grenzschließungen etc. gab. Seither ist der Heiligenhof verwaist, es gibt keine Gäste, kaum Personal, leere Räume aber eine wunderbare frühlingshafte Umgebung mit blühenden Wiesen, Sträuchern und Bäumen. Der Heiligenhof und das Umfeld sind so schön wie nie...

In der Regel ist das Winterhalbjahr weniger ausgebucht als das Sommerhalbjahr und der Heiligenhof war im März sowie für das ganze Jahr hervorragend gebucht. In der zweiten Märzhälfte nahmen fast alle Mitarbeiter Urlaub und ab April befanden sich alle - mit Ausnahme der Hausmeister und einiger Rezeptions- und Verwaltungskräfte - in Kurzarbeit, viele davon in 100%. Es folgten bis Ende Mai fortlaufend Stornierungen für Veranstaltungen bis in den Herbst und zahlreiche Umbuchungen auf das Jahr 2021. Sollte der Betrieb wieder anlaufen, so kann das Personal in der benötigten Stärke auf Abruf seinen Dienst aufnehmen. Seit März sind keine Einnahmen generiert worden. Die Löhne für März sind noch voll vom Träger des Heiligenhofs, der Stiftung Sudetendeutsches Sozial-und Bildungswerk bezahlt worden, ab April nur die Hausmeister und anteilig die anderen eingesetzten Mitarbeiter. Die monatlichen Kosten für verbliebene Lohnzahlungen, Energie, Wasser, Müll, Wartungen, Versicherungen etc. betragen rund 60.000 Euro. Der Heiligenhof hat verschiedene staatliche Hilfen beantragt, teilweise auch politisch durchgesetzt, dass Stiftungen und gemeinnützige Unternehmen, Begegnungshäuser und Jugendherbergen auch unter die Rettungsschirme fallen. Zugleich hat der Stiftungsvorstand eine Spendenaktion ins Leben gerufen und in einem Brief etwa 6000 Gäste der zurückliegenden Jahre um eine Spende gebeten. Den Druck des Briefes übernahm die Kissinger Druckerei Lutz, es mussten daher nur die Portokosten bezahlt werden. Innerhalb von sechs Wochen wurden von etwa 600 Spendern über 60.000 Euro gespendet. Dieses ist ein großer Erfolg und zeugt von der Verbundenheit der Sudetendeutschen und auch Siebenbürger Sachsen sowie anderer Gruppen und Einzelpersonen mit dem Heiligenhof.

 

Herr Hörtler, befürchten Sie neben wirtschaftlichen Auswirkungen Beeinträchtigungen in der Zusammenarbeit mit Ihren europäischen, ganz speziell tschechischen, Partnern? 

Solange es Gesundheitsgefahren in Europa gibt, d.h. dass es noch Ansteckungsgefahren und keine Schutzimpfung gibt, wird es Reise- und Unterbringungsrestriktionen geben. Die Gäste werden - sofern überhaupt erlaubt -  ungern in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bussen, Zügen, Flugzeugen oder gecharterten Bussen kommen wollen, solange es Gefahren gibt. Die Kinder, Jugendlichen und Studenten werden vorerst nur zögerlich kommen, da die Eltern, Betreuer und Lehrer kaum Risiken auf sich nehmen werden. Zudem muss überall Präsenzunterricht nachgeholt werden, die Basics gelernt werden. Die Angehörigen der deutschen Minderheiten und andere Partner aus Ostmitteleuropa werden auch bei vollständigen Grenzöffnungen vermutlich im Jahr 2020 nicht mehr zu Bildungsveranstaltungen nach Deutschland kommen. Sollte die Lage sich normalisieren, dürften alle im kommenden Jahr wiederkommen wollen. Im laufenden Jahr dürfte es ausreichend öffentliche Fördermittel für die Bildungsveranstaltungen geben. Nach den exzessiven Staatsausgaben und der neuerlichen Staatsverschuldung wegen der Corona-Pandemie, dürfte es aber sehr viel schwieriger bis unmöglich werden 2021 und in den Folgejahren solche Mittel zu erhalten. Diese Mittel sind freiwillige Leistungen des Staates, es gehört nicht zu den Kernaufgaben und bei dem Finanzbedarf der Bewältigung der Coronakrise, könnten diese Bereiche sehr wahrscheinlich wegfallen. Inhaltlich ist "Verständigungspolitik" Deutschlands mit all seinen Nachbarn notwendiger denn je, wie es gerade die Coronakrise beweisen hat.

 

Herr Hörtler, alle sprechen von Urlaub und ob man dafür wieder ins Ausland reisen darf. Was spricht für einen Urlaub am Heiligenhof?

Sofern Unterbringungen gestattet und Hygiene- und Abstandskonzepte durchführbar sind, kann für eine begrenzte Zahl - insbesondere für Familien - Urlaub auf dem Heiligenhof angeboten werden. Die Anreise ist auf jeden Fall kürzer als ins Ausland und auch die Preise moderat, das Essen reichlich und schmackhaft. Es ist ein schönes Haus mit Spiel-, Sport- und Grillplätzen, eine wunderbare Umgebung, ein schöner Kurpark, Weltbadarchitektur und vielleicht ein wiederaufkeimendes kulturelles Angebot mit Kurkonzerten. Es gibt phantastische Spazier- und Wander- und Radwanderwege und ein außergewöhnlich schönes Terrassenbad und die Kiss-Salis-Therme. Das Fränkische Weinland ist in der Nähe, aber auch das Biosphärenreservat Rhön, eine der wald- und artenreichsten Landschaften in Deutschland. Der Heiligenhof ist noch nicht das Paradies, aber - sofern man dieses auf Erden schaffen kann - nahe dran.

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